BGH zum Pflichtteil bei liechtensteinischer Stiftung

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Der Pflichtteil gewährleistet die unentziehbare Teilhabe des Kindes am Vermögen der Eltern und ist verfassungsrechtlich geschützt. Art. 6 Abs. 1 GG schützt das Verhältnis zwischen Erblasser und  Kindern als „lebenslange Gemeinschaft, innerhalb derer Eltern wie Kinder nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sind, füreinander sowohl materiell als auch persönlich Verantwortung zu übernehmen“ (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19.04.2005, Aktenzeichen 1 BvR 1644/00 und 1 BvR 188/03).

Erblasser, die den Pflichtteil umgehen wollen, verlagern ihr Vermögen regelmäßig ins Ausland.

Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 03.12.2014, Aktenzeichen IV ZB 9/14) hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in dem der Erblasser Teile seines Vermögens in eine privatrechtliche Anstalt liechtensteinischen Rechts eingebracht hatte. Er besaß außerdem Rechte an einer in Liechtenstein gegründeten Stiftung.

Die zur Zahlung des Pflichtteils verpflichteten Erbinnen weigerten sich nun, mehr über dieses Vermögen bekannt zu geben als das bloße Bestehen dieser Rechte.

Zu Unrecht, wie der Bundesgerichtshof urteilte.

Zwar sei die Anstalt nach liechtensteinischem Recht rechtlich selbständig und deshalb nicht Bestandteil des Nachlasses. Das dem Gericht vorgelegte sog. Beistatut zu dieser Anstalt enhalte aber Bestimmungen zu Gunsten der Erbinnen, die entweder wirksame oder unwirksame Schenkungen begründeten (dies musste das Gericht nicht abschließend beurteilen). In beiden Fällen sei aber eine Auskunftspflicht der Erbinnen gegeben: War die Schenkung unwirksam, gehörten Rückforderungsansprüche zum Nachlass. War sie wirksam, ergäben sich Auskunftsansprüche, weil die Schenkungen zu sog. Pflichtteilsergänzungsansprüchen (§§ 2325 ff. BGB) führen könnten. Vollzogen sei die Schenkung erst mit dem Tod des Erblassers.

Für die Siftung kommt das Gericht zum gleichen Ergebnis: Die im Stiftungsreglement enthaltene Vorschrift zur Verteilung des Stiftungsvermögens bei Ableben des Erblassers sei als (wirksame oder unwirksame) Schenkung auf den Todesfall zu Gunsten der Erbinnen zu bewerten und erst mit dem Erbfall vollzogen. Wüssten Sie über den Umfang des Stiftungsvermögens tatsächlich nichts, müssten sie sich diese Kenntnis beschaffen.

Kommentar: Der Fall zeigt, dass es dem Pflichtteilsberechtigten im Einzelfall und je nach juristischer Konstruktion der Verlagerung durchaus gelingen kann, verborgene Vermögenswerte in die Berechnung des Pflichtteils mit einzubeziehen. Interessant dürfte die Entscheidung auch für Erbfälle sein, bei denen vermögende Privatpersonen Lebensversicherungsverträge mit in Liechtenstein ansässigen Versicherungsunternehmen abgeschlossen haben, um ihr bislang unversteuertes Vermögens zu „schützen“.