Erbrecht in Kanada

und deutsch-kanadische Erbfälle

 I. Welches Recht ist anwendbar?

Hat ein Erbfall Bezug zu Deutschland und zu Kanada, kann – je nachdem, aus welcher Perspektive man den Sachverhalt betrachtet – deutsches oder kanadisches Recht zur Anwendung kommen.

Dabei sind die Regeln der seit dem 17. August 2015 geltenden EU-Erbrechtsverordnung Nr. 650/2012 nach Art. 20 dieser Verordnung ausdrücklich auch im Verhältnis zu Drittstaaten wie Kanada zu beachten; aus deutscher Sicht.

1. Anwendbares Erbrecht aus der Sicht Kanadas

Zunächst ist Kanada ein Bundesstaat, bestehend aus 10 Provinzen und drei Territorien.

Da Provinzen besitzen Gesetzgebungshoheit auf dem Gebiet des Zivilrechts haben, ist das kanadische (internationale) Erbrecht nicht einheitlich geregelt.

Vielmehr bestehen der Zivilrechtskreis der Provinz Québec, der weitgehend auf der französischen Rechtstradition beruht, und der sich am Common Law orientierende Rechtskreis der übigen Provinzen nebeneinander.

Bei der Bestimmung des anwendbaren Erbrechts wird dann in beiden Rechtskreisen zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen unterschieden:

Bei unbeweglichem Vermögen kommt das Recht des Staates zur Anwendung, in dem sich das Grundstück befindet. Für das bewegliche Vermögen kommt das Recht des Staates zur Anwendung, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte.

Fall 1: Ein deutscher Staatsangehöriger, der in Berlin wohnt, hinterlässt ein Haus in einer kanadischen Provinz. Aus kanadischer Sicht kommt in Bezug auf das Haus kanadisches Recht zur Anwendung und in Bezug auf den beweglichen Nachlass deutsches Recht.

Fall 2: Ein deutscher Staatsangehöriger verstirbt in Vancouver und hinterlässt dort eine Wohnung und einen Pkw. Aus kanadischer Sicht ist hinsichtlich der Wohnung und auch des Pkw kanadisches Erbrecht anwendbar.

In einigen Provinzen ist es dem Erblasser überlassen, durch Rechtswahl Einfluss auf das anwendbare Recht zu nehmen – zu Einzelheiten beraten wir Sie gerne.

Standort Berlin – Rechtsanwalt Swane
+ 49 30 609 82 88 55  info@erbrecht-berlin.eu
Standort Hamburg – Rechtsanwalt Block
+ 49 40 30 39 18 75 hamburg@erbrecht-berlin.eu
 

2. Deutschland

Aus deutscher Sicht wird für Erbfälle bis zum 17. August 2015 an die Staatsangehörigkeit des Erblassers angeknüpft. Auf diese Weise kommt das Recht desjenigen Staates zur Anwendung, dem der Erblasser zuletzt angehörte.

Da das deutsche Recht bei Versterben eines kanadischen Staatsbürgers und Anwendung kanadischen Rechts auch auf das internationale Privatrecht Kanadas verweist, kann es über Art. 4 Abs. 1 EGBGB zu sog. Rückverweisungen aus dem kanadischen Recht auf das deutsche Recht kommen.

Fall 3 (Erbfall vor dem 17. August 2015): Ein Kanadier verstirbt mit letztem Wohnsitz in Berlin. Aus Sicht des deutschen Rechts wird wegen der Staatsangehörigkeit kanadisches Rechts angewendet, das – wegen des Wohnsitzes in Berlin – jedenfalls für das bewegliche Vermögen auf das deutsche Recht zurückverweist.

Die Frage, das Recht welcher Teilrechtsordnung (= Provinz) bei deutsch-kanadischen Erbfällen entscheidend ist, bestimmt sich dann gemäß Art. 4 Abs. 3 EGBGB nach kanadischem Recht.

Wesentliche Änderungen ergeben sich nun aus der Anwendung der EU-Erbrechtsverordnung .

Für ab diesem Stichtag eintretende Erbfälle wird die Erbfolge nach dem Recht des Staates bestimmt, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, sofern der Erblasser keine anderweitige Rechtswahl getroffen hat.

II. Einfluss des ehelichen Güterrechts

Das auf den jeweiligen Erbfall anzuwendende Güterrecht kann einen erheblichen Einfluss auf das wirtschaftliche Ergebnis einer Erbauseinandersetzung haben. Dazu folgender Überblick zu den gesetzlichen Güterständen, die im Einzelfall freilich per Ehevertrag modifiziert worden sein könnten:

1. Common Law Provinzen

Der gesetzliche Güterstand in den Common Law Provinzen, ist der deutschen Zugewinngemeinschaft vergleichbar.

Während der Ehe besteht Gütertrennung, ein güterrechtlicher Ausgleich fällt bei Beendigung der Ehe durch Scheidung oder Tod an. Die Gesetze der einzelnen Provinzen unterscheiden sich erheblich im Hinblick auf das ausgleichspflichtige Vermögen und die Höhe des Anspruchs des überlebenden Ehegatten.

2. Québec

Der gesetzliche Güterstand in Québec ist die sogenannte société d’acquêts, eine Art mit dem Tod entstehende Errungenschaftsgemeinschaft:

Während der Ehe herrscht das Prinzip der Gütertrennung.

Nach Beendigung des Güterstands durch den Tod eines Ehegatten tritt Gütergemeinschaft ein. Das Vermögen der Ehegatten wird dann aufgeteilt in privates Vermögen und gemeinschaftliches Vermögen.

Die Erben treten an die Stelle des Erblassers, sodass vor der Erbauseinandersetzung ein güterrechtlicher Ausgleich zwischen ihnen und dem überlebenden Ehegatten stattfindet. Dem überlebenden Ehegatten steht dabei ein Nießbrauchsrecht an dem Anteil der minderjährigen Kinder zu, bis diese das 18. Lebensjahr vollenden.

III. Materielles Erbrecht

1. Gesetzliche Erbfolge (intestate succession)

a. Common Law Provinzen

In den Common Law Provinzen sind als gesetzliche Erben der Ehegatte, die Abkömmlinge des Erblassers, die Eltern, die Geschwister und deren Abkömmlinge und weitere Verwandte berufen. Es handelt sich mithin um ein Erbrecht nach Stämmen.

Der Ehegatte erhält in den meisten Common Law Provinzen den gesamten Nachlass, soweit keine Abkömmlinge vorhanden sind. Neben einem Abkömmling erhält der Ehegatte die Hälfte des Nachlasses, neben mehreren Abkömmlingen mindestens ein Drittel. In den Common Law Provinzen verdrängen Abkömmlinge des Erblassers alle sonstigen gesetzlichen Erben mit Ausnahme des Ehegatten. Eltern verdrängen die Geschwister des Erblassers. Sind nur Abkömmlinge vorhanden, erben sie den gesamten Nachlass.

Neben den Abkömmlingen erhält der Ehegatte zudem als Voraus einen „preferential share“, dessen Höhe innerhalb der Provinzen variiert.

b. Québec

Die gesetzliche Erbfolge beruht in der Provinz Quebec auf einem Parentelsystem mit drei Ordnungen und festen Beteiligungsquoten am Nachlass. Innerhalb einer Ordnung gilt die Erbfolge nach Linien und Stämmen. An die Stelle vorverstorbener Erben treten die Abkömmlinge als Ersatzerben.

Die erste Ordnung umfasst nach Art. 666-669 Ccq den überlebenden Ehegatten und die Abkömmlinge des Erblassers. Der überlebende Ehegatte findet sich auch in der zweiten Ordnung, um die Beteiligung naher Verwandter neben ihm zu sichern.

Der zweiten Ordnung gehören der Ehegatte, privilegierte Aszendenten (Vater und Mutter des Erblassers) und privilegierte Seitenverwandte (Brüder und Schwestern des Erblassers), an.

Die dritte Ordnung umfasst die gewöhnlichen Aszendenten und die gewöhnlichen Seitenverwandten.

Bei Zusammentreffen des überlebenden Ehegatten mit den Abkömmlingen erhält der Ehegatte ein Drittel des Nachlasses, die Abkömmlinge die verbleibenden zwei Drittel. Trifft der überlebende Ehegatte mit den Erben der zweiten Ordnung zusammen, erhält der Ehegatte zwei Drittel des Nachlasses und die Eltern ein Drittel. Sind keine Abkömmlinge oder privilegierten Aszendenten oder Seitenverwandten vorhanden, erbt der Ehegatte allein.

 2. Gewillkürte Erbfolge (testate succession)

Grundsätzlich kann jede testierfähige Person über ihr gesamtes Eigentum durch Testament verfügen.

Testierfähig ist grundsätzlich jede Person, die das 19. Lebensjahr erreicht hat. Erbvertrag und gemeinschaftliche Testamente mit ihren strengen Bindungswirkungen sind unzulässig.

Die rechtliche Zersplitterung in verschiedene Teilrechtsordnungen Kanadas bringt es mit sich, dass verschiedene Testamentsformen zulässig sind. Das eigenhändig schriftlich errichtete Testament ist in den meisten Provinzen anerkannt. Weitere Testamentsformen sind das öffentliche Testament und das Zwei-Zeugen-Testament, das ist auch in der Provinz Québec gültig ist.

In den Common Law Provinzen findet keine Erbeinsetzung statt, die begünstigten Personen werden mit einer Vermögenszuwendung bedacht, die einem Vermächtnis gleicht. Diese Zuwendungen sind durch einen Nachlassverwalter zu erfüllen.

3. Pflichtteilsrecht

a. Common-Law Provinzen

Die Common Law Provinzen kennen kein Pflichtteilsrecht im deutschen Sinne.

Allerdings sehen die Gesetze vor, dass bestimmte nahe Verwandte durch Versorgungsansprüche abgesichert werden. In den meisten Provinzen hat der überlebende Ehegatte einen Anspruch auf den sog. „preferential share“, der bis zu 200.000 CAD reicht.

Eine Enterbung soll durch die güter- oder versorgungsrechtliche Absicherung naher Verwandter abgemildert werden.

Alle Provinzen haben sog. Dependent ´s Relief Gesetze, die den überlebenden Ehegatten und die Kinder berechtigen, bestimmte Versorgungsleistungen aus dem Nachlass zu beantragen.

b. Québec

Das Gesetz von Québec geht vom Grundsatz der völligen Testierfreiheit aus. Der Erblasser kann auch nahe Angehörige vollständig enterben. Der überlebende Ehegatte wird insoweit geschützt, als dass er das er in jedem Fall das sogenannte patrimoine familial (Familienvermögen) erhält. Daneben bestehen gegebenenfalls Unterhaltsansprüche naher Verwandter gegen den Nachlass.

4. Nachlassabwicklung (administration)

Nach deutschem Recht ist die Testamentsvollstreckung im privaten Bereich eher ungewöhnlich, nach kanadischem Recht ist die sogenannte administration zwingend vorgeschrieben.

a. Common Law Provinzen

In den Common Law Provinzen ist dem Nachlasserwerb durch die Erben eine Zwischenperson, der personal representative, vorgeschaltet. Dieser ist verantwortlich für die Nachlassverteilung an die Erben. Man unterscheidet zwischen dem durch Testament eingesetzten Erbschaftsverwalter estate trustee with a will (auch executor) und dem gerichtlich eingesetzten Erbschaftsverwalter estate trustee without a will (auch administrator).

Das Nachlassverfahren ist als Probate-Verfahren englischer Prägung ausgestaltet. Der Nachlassverwalter muss beim zuständigen Nachlassgericht zunächst um ein probate ersuchen. Ein probate ist das Dokument aus dem sich die Gültigkeit des Testaments und sowie die Ernennung zum testamentarisch bestimmten Erbschaftsverwalter ergibt. Hat der Erblasser kein Testament hinterlassen, wird durch das Gericht ein Erbschaftsverwalter (administrator) benannt. Anschließend obliegt dem Erbschaftsverwalter die Verwaltung und Verteilung des Nachlasses unter Beachtung der testamentarisch niedergelegten Bestimmungen.

b. Québec

Die Abwicklung des Nachlasses erfolgt in zwei Schritten: Zunächst werden die Nachlassverbindlichkeiten beglichen (liquidation), dazu wird in der Regel ein Abwickler durch den Erblasser benannt. Anschließend wird der Nachlass aufgeteilt (partage).

V. Erbschaftssteuer

Eine „klassische“ Erbschaftsteuer nach deutschem Verständnis gibt es in Kanada nicht.

Vielmehr wird das Erbe auf Grundlage des kanadischen Einkommenssteuergesetzes als Kapitalgewinn versteuert. Hierbei wird der Erbfall wie eine Veräußerung behandelt und es können sogenannte Capital Gains Tax (CGT) anfallen.

Bitte beachten Sie:

Eine im Erbfall anfallende kanadische Capital Gains Tax kann nicht nach § 21 ErbStG auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet werden; sie unterscheidet sich zu wesentlich von der deutschen Erbschaftsteuer.

Die in Kanada gezahlten Steuern können aber als Nachlassverbindlichkeit vom Wert des Nachlasses abgezogen werden, so dass  in Deutschland „weniger“ versteuert werden muss (siehe hierzu das Urteil des BFH vom 26. April 1995, Az. II R 13/92 = BStBl. 1995 II S. 540).

Wichtig ist auch:

Hatte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in Kanada, umfasst die Besteuerung das weltweite Vermögen des Erblassers. Hatte der Erblasser seinen Wohnsitz in Deutschland, unterliegt ausschließlich das in Kanada befindliche Vermögen der Besteuerung in Kanada (= beschränkte Steuerpflicht).

Darüber hinaus werden auch Steuern durch die jeweils betroffene Provinz erhoben.

So erhebt etwa Ontario eine sog. Estate Administration Tax (EAT).

Die EAT wird auf Grundlage des weltweiten Nachlasses berechnet, welcher im Antrag zur Bestellung als Nachlassverwalter unter Wert des Nachlasses (Value of Assets of Estate) angegeben wird.

Hier kommt eine Anrechnung nach § 21 ErbStG grundsätzlich in Betracht. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage stehe aber noch aus.

Rufen Sie uns an, wir helfen Ihnen gerne.

Standort Berlin – Rechtsanwalt Swane
+ 49 30 609 82 88 55  info@erbrecht-berlin.eu
Standort Hamburg – Rechtsanwalt Block
+ 49 40 30 39 18 75  block@fachanwalt-erbrecht.eu