Testamentsauslegung

Warum ist die Auslegung von Testamenten und Erbverträgen so schwierig?

Testamente sind oft nicht klar formuliert, auch notarielle Testamente nicht.

Hinzu kommt, dass sich zwischen dem Tag der Errichtung und dem Tod eines Menschen Vieles ändert: Der eingesetzte Erbe stirbt, der Erblasser heiratet ein weiteres Mal, oder die Zusammensetzung des Vermögens ändert sich.

Verständlicherweise lesen viele Beteiligte aus umstrittenen Passagen zudem nur das heraus, was für sie günstig ist.

Wir helfen Ihnen bei der richtigen Auslegung des Testamentes und vertreten Sie im Erbscheinsverfahren vor dem Nachlassgericht oder bei einer Erbfeststellungsklage.

Rufen Sie uns an, wir helfen Ihnen gerne.

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) enthält eine Vielzahl von Auslegungsregeln, die jedoch nur „im Zweifel“ gelten. Die gesetzlichen Auslegungsregeln können also durch die konkrete Ermittlung des Erblasserwillens widerlegt werden.

Es gelten folgende Grundsätze:

1. Der Wortlaut eines Testamentes ist zunächst nur der Ausgangspunkt. Entscheidend ist, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Um das herauszufinden, muss der Richter auch Notizen, Briefe, Urlaubsvideos und alles mögliche andere berücksichtigen. Der Bundesgerichtshof hat das folgendermaßen formuliert (Beschluss vom 17.07.2012, Az. IV ZB 23/11):

„Bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Dabei müssen nicht nur der gesamte Text der Verfügung, sondern auch alle dem Richter zugänglichen Umstände außerhalb der Urkunde ausgewertet werden, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens möglicherweise dienlich sind. Abzustellen ist aber stets auf den Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung. Danach eingetretene Umstände können nur Bedeutung erlangen, soweit sie Rückschlüsse hierauf zulassen.“

Ist auf diese Weise der Wille festgestellt worden, kommt es – wegen der für Testamente bestehenden strengen Formvorschriften – darauf an, ob dafür eine

„hinreichende Stütze im Text des Testamentes gefunden“

werden kann (BGH, Urteil vom 26.09.2001, Az. IV ZR 298/98): Der Wille muss im Testament also zumindest angedeutet sein. Wann die sog. Andeutung „hinreichend“ ist, muss in jedem Einzelfall geklärt werden.

Erbschaft und Testament  ?

2. Hat der Erblasser bei Errichtung des Testamentes einen (auch fernliegenden) Umstand nicht bedacht, kommt die sog. ergänzende Testamentsauslegung ins Spiel, bei der man den hypothetischen Willen des Erblassers erforscht: Man fragt danach, wie der Erblasser verfügt hätte, wäre ihm die im Testament hinterlassene „Lücke“ bewusst gewesen.

Ob überhaupt eine solche, ungewollte Lücke bestand, ist in einem ersten Schritt anhand der praktischen Ziele des Erblassers zu ermitteln: Ging es ihm z.B. darum, alle Kinder möglichst gleich zu behandeln? Kam es dem Erblasser darauf an, die Geltendmachung  von Pflichtteilsansprüchen zu verhindern? Und wurden diese Ziele verfehlt?

Im zweiten Schritt geht es darum, die Lücke zu füllen und das Testament für den Erblasser zuende zu denken. Dabei sind, wie das OLG München einmal festgehalten hat, keine allzu strengen Maßstäbe anzulegen (Beschluss vom 26.07. 2006, Aktenzeichen 32 Wx 88/06):

„Zu fragen ist, wie E seine Verfügung inhaltlich gestaltet hätte, wenn er bei Errichtung des Testaments die später eingetretene Entwicklung der für ihn relevanten Verhältnisse vorausschauend berücksichtigt hätte. Eine Voraussicht der Zukunft in allen Einzelheiten, d. h. einen allwissenden Erblasser, hat man sich dabei nicht vorzustellen; denn ein solcher hypothetischer Wille wäre realitätsfremd und würde daher nicht dem Sinn der an das Testament und die reale Willensrichtung anknüpfenden ergänzenden Auslegung entsprechen. Vielmehr ist zu erwägen, wie E testiert hätte, wenn er die Möglichkeit der späteren Entwicklung in ihren wesentlichen Zügen bedacht hätte.“

Kann auf diese Weise ein Wille ermittelt werden und ergibt sich dafür ein

„noch so geringer Anhaltspunkt oder ein noch so unvollkommener Ausdruck“

aus dem Testament selbst (OLG Köln, Beschluss vom 10.11.2008, Aktenzeichen 2 Wx 38/08), wird der Erbschein auf dieser Grundlage erteilt.

3. Lässt sich der Wille des Erblassers nicht im Wege der (hypothetischen) Testamentsauslegung feststellen, kommen – als eine Art Auffangnetz – die gesetzlichen Auslegungsregeln zur Anwendung. Eine der bekanntesten davon ist § 2069 BGB:

„Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.“

Das Gesetz enthält eine Reihe weiterer Auslegungsregeln, die in Ihrem Erbfall greifen könnten, und zu denen ich Sie gerne ausführlich berate.

Gemeinschaftliches Testament und Erbvertrag

Die oben genannten Grundsätze gelten beim gemeinschaftlichen Testament („Berliner Testament“) und beim Erbvertrag nur sehr eingeschränkt. Grund ist, dass auch der sog. Empfängerhorizont des anderen Ehegatten zu berücksichtigen ist: Wie durfte Ehemann die Erklärung der Ehefrau vernünftigerweise verstehen?

Typische Fälle

In Nachlassverfahren um den Erbschein oder vor den Zivilgerichten kommt es regelmäßig zu Schwierigkeiten bei der Testamentsauslegung. Dazu folgende Beispielsfälle:

  • Der Erblasser vermacht jemandem ein Haus, setzt ihn aber nicht ausdrücklich als Erben ein. Unklar ist nun, wer Erbe ist.
  • Die Ehegatten vergessen in ihrem „Berliner Testament“, die sog. Schlusserben zu bestimmen und setzen nur sich selbst als jeweilige Alleinerben ein. Unklar ist nun, wer nach dem Längerlebenden Erbe ist.
  • Ein gemeinschaftliches Testament enthält eine sog. Pflichtteilsstrafklausel, nach dem vom zweiten Erbfall ausgeschlossen sein soll, wer im ersten Erbfall den Pflichtteil geltend machen. Streitig ist nun, wann der Pflichtteil „geltend gemacht“ worden ist (z.B. hat ihn der Längerlebende freiwillig gezahlt).
  • Der Erbe wird im Testament nicht genau bestimmt („Erbe ist der, der mich pflegt“; „Erbe ist der, der mir im Alter beisteht“).
  • Jemand soll laut Testament einen Gegenstand bekommen, der im Erbfall nicht mehr da ist.
  • Das Testament enthält eine schwer verständliche Wiederverheiratungsklausel.

Zu den Einzelheiten beraten wir Sie gerne.

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