Erbrecht in Finnland

und deutsch-finnische Erbfälle

I. Welches Erbrecht gilt?

Hat ein Erbfall Bezug zu Deutschland und zu Finnland, ist zuerst zu überlegen, welches Recht überhaupt anwendbar ist:

1. Finnland (für Erbfälle vor dem 17. August 2015)

Nach finnischem Recht gilt für „Altfälle“ grundsätzlich das Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers, 26:2 Perintökaari (Erbrechtsgesetz), wenn dieser mindestens fünf Jahre vor seinem Tod im Wohnsitzstaat gelebt hat oder Angehöriger des Wohnsitzstaates war. Für Erblasser aus einem Mitgliedstaat der Nordischen Nachlasskonvention (Nordisk Dødsbodkonvention) ist in der Regel der letzte gewöhnliche Aufenthalt maßgeblich.

Nach 26:19 Erbrechtsgesetz konnte der Erblasser in diesen „Altfällen“ das Recht des Staates wählen, dessen Angehöriger er bei Ausübung des Wahlrechts war oder bei Eintritt des Erbfalls ist. Darüber hinaus konnte er das Recht seines Wohnsitzstaates in einem der beiden Zeitpunkte wählen sowie das Recht des Staates, das die ehegüterrechtlichen Beziehungen einer Person beherrscht.

Erfolgt eine Rechtswahl, so gilt diese für den gesamten Nachlass.

Fall 1: Ein finnischer Staatsbürger verstirbt 2014 in seinem Wohnort in Berlin.

Aus finnischer Sicht ist deutsches Recht anwendbar, sofern der Erblasser mindestens fünf Jahre vor seinem Tod in Berlin gelebt hat oder auch deutscher Staatsangehöriger war.

Dies ändert sich für Erbfälle ab dem 17. August 2015: Für Erbfalle ab diesem Zeitpunkt knüpft Finnland ausschließlich an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an.

Die bis dahin geltenden, im europaweiten Vergleich recht großzügigen Rechtswahlmöglichkeiten nach finnischem Recht werden für Erbfälle ab diesem Datum durch eine einheitliche Rechtswahlmöglichkeit zu Gunsten des sog. Heimrechts (= Finnland) abgelöst.

 2. Deutschland

Aus deutscher Sicht wird bis zur Anwendung der EU-Erbrechtsverordnung ab dem 17. August 2015 an die Staatsangehörigkeit des Erblassers angeknüpft.

Dabei kommt das Recht desjenigen Staates zur Anwendung, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser zuletzt . Nachdem das deutsche Recht auch auf finnischen Vorschriften zum anzuwendenen Erbrecht verweisen würde – Art. 4 Abs. 1 EGBGB – sind im Ergebnis aber die Vorschriften des finnischen Rechts maßgeblich für das Ergebnis:

Ein Finne oder eine Finnin, der bzw. die vor dem 17. August 2022 mit Wohnistz in Berlin verstirbt, wird nach finnischem Recht beerbt,

Für ab diesem Stichtag eintretende Erbfälle wird die Erbfolge einheitlich nach dem Recht des Staates bestimmt, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, sofern der Erblasser keine anderweitige Rechtswahl getroffen hat.

Fall 2: Ein deutscher Staatsangehöriger verstirbt 2020 mit gewöhnlichem Aufenthalt in Helsinki, ohne eine Rechtswahl zu Gunsten des deutschen Rechts zu treffen.

Aus deutscher und aus finnischer Sicht gilt finnisches Erbrecht, Art. 21 Abs. 1 EU-Erbrechtsverordnung.

 II. Einflüsse des ehelichen Güterrechts

Endet eine Ehe durch den Tod eines Ehegatten, treten im finnischen Recht die güterrechtlichen und erbrechtlichen Regelungen nebeneinander. Erst nach der ehegüterrechtlichen Auseinandersetzung wird festgestellt, was zum Nachlass des Erblassers zählt.

Die finnischen Vorschriften zum ehelichen Güterrecht, das die konkrete Zuordnung von Vermögen zu beiden Ehegatten oder einem Ehegatten regelt, weichen erheblich von den deutschen Normen ab:

Gilt der der gesetzliche Güterstand (§ 35 avioliitolaki, Ehegesetz) sind die Ehegatten grundsätzlich am gesamten Vermögen des jeweils anderen Ehegatten beteiligt. Dieses Recht ist das sog. Ehegattenanteilsrecht (avioosuus). Ausgenommen hiervon ist lediglich sog. Vorbehaltsgut, das auf einem besonderen Erwerbstatbestand beruht.

Im güterrechtlichen Ausgleichsverfahren wird zunächst geklärt, wie das Vermögen den beiden Ehegatten zuzuordnen ist. Nach Begleichen der Verbindlichkeiten werden die Vermögen, an denen ein „avioosuus“ besteht, zusammengezählt. Jedem der Ehegatten steht die Hälfte dieses Betrages zu. Der Ehegatte mit dem geringeren Vermögen erhält den für den Ausgleich erforderlichen Betrag aus dem Vermögen des anderen (tasinko). Hat der überlebende Ehegatte einen solchen Anspruch, wird dieser gegenüber den Erben geltend gemacht. Diesen Ausgleichbetrag erhält der überlebende Ehegatte steuerfrei.

Hatte der verstorbene Ehegatte das größere Vermögen, so genießt er ein Vorrecht, er muss den Überschuss aus seinem Vermögen nicht ausgleichen. Der Ausgleichsbetrag fällt erst bei seinem Tode an den Erben.

 III. Materielles Erbrecht

 1. Gesetzliche Erbfolge

Hat der Erblasser kein Testament hinterlassen, greift die gesetzliche Erbfolge ein.

Sind Abkömmlinge neben dem Ehegatten vorhanden, so erben diese den gesamten Nachlass. Das finnische Recht sieht nicht vor, dass der überlebende Ehegatte neben den Abkömmlingen erbt.

Der überlebende Ehegatte hat jedoch das volle Nutzungsrecht am ungeteilten Nachlass des Verstorbenen. Gleichwohl darf er den Nachlass nicht veräußern oder für eigene Schulden belasten.

Hinterlässt der Erblasser keine Abkömmlinge, aber einen Ehegatten, so erhält der überlebende Ehegatte den gesamten Nachlass.

Die Eltern des Erblassers erben ggf. erst nach dem Tod des überlebenden Ehegatten, und zwar zu gleichen Teilen. Ist einer der Eltern vorverstorben, fällt der Erbteil an dessen Abkömmlinge.

 2. Gewillkürte Erbfolge- Testament und Erbvertrag

Die gewillkürte Erbeinsetzung ist im finnischen Recht nicht vorgesehen. Ausschließlich die gesetzlichen Erben können Erben sein. Gleichwohl kann der Erblasser über seinen Nachlass in der Form von Vermächtnissen verfügen.

Für die Errichtung des Testaments ist das 10. Kapitel des Erbrechtsgesetzes maßgeblich. Danach ist das Testament schriftlich zu errichten (10 PK – Erbrechtsgesetz) und muss von dem Erblasser in Anwesenheit zweier Zeugen unterzeichnet oder bestätigt werden. Des Weiteren müssen die Zeugen das Testament unterzeichnen. Der Ehegatte, Verwandte und im Testament bedachte Personen scheiden dabei als Zeugen aus.

Gemeinschaftliche Testamente sind wie auch im deutschen Recht zulässig. Erbverträge sind dem finnischen Recht dagegen fremd und unzulässig.

 3. Pflichtteilsrecht

Nach 7:1 PK (Erbrechtsgesetz) sind die Abkömmlinge und Adoptivkinder des Erblassers pflichtteilsberechtigt. Der Pflichtteil beläuft sich auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Dieser Anspruch besteht gegenüber dem Nachlass als Ganzem, somit also gegenüber jedem Nachlassgegenstand. Dem Bedachten steht die Möglichkeit zu, den Pflichtteil in Geld auszuzahlen.

Der Pflichtteil muss innerhalb von sechs Monaten nach Testamentseröffnung geltend gemacht werden.

4. Nachlassabwicklung

Nach dem Tod einer in Finnland wohnhaft gewesenen Person ist innerhalb einer dreimonatigen Frist das sog. Nachlassinventar zu errichten. Dieses beinhaltet eine Auflistung der Nachlassbeteiligten und eine Auflistung des Nachlassvermögens. Das Nachlassinventar ist Basis für die durchzuführende Nachlassaufteilung und dient als Grundlage für die Besteuerung der Erbschaft.

Das Nachlassinventar ist spätestens einen Monat nach Durchführung der Inventarisierung dem Finanzamt am Wohnort des Erblassers zu übersenden.

 IV. Erbschaftssteuerrecht

Das finnische Erbschaftssteuerrecht ist in dem Gesetz für Erb- und Schenkungssteuer geregelt und als sog. Erbanfallsteuer ausgestaltet. Dabei wird nicht der Nachlass als solches besteuert, sondern – wie auch in Deutschland – der Anteil jedes Begünstigten.

Das finnische Erbschaftssteuerrecht wurde im Jahr 2009 reformiert. Die Freibeträge wurden angehoben und die Zahl der Steuerklassen reduziert. Eine Übersicht zu den aktuellen Steuersätzen finden Sie auf den Internetseiten der finnischen Regierung.

Internationales Erbschaftssteuerrecht in Finnland:

Wie in Deutschland wird auch in Finnland der Anfall des „Weltvermögens“ der Steuer unterworfen, wenn entweder der Erblasser oder der Erbe in Finnland wohnhaft war bzw. zum Zeitpunkt des Erwerbs dort wohnhaft ist.

Bei einem ausländischen Erblasser und nicht in Finnland wohnenden Erben findet das Erbschaftsteuergesetz nur auf die in Finnland gelegenen Immobilien sowie auf Unternehmensbeteiligungen Anwendung, wenn deren Vermögen zu mehr als 50 % aus finnischen Immobilien besteht. Entsprechendes gilt für unentgeltliche Zuwendungen unter Lebenden für die Schenkungsteuer.

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