Kategorie-Archiv: Allgemein

Mediation im Erbrecht

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Bei Konflikten im Erbrecht geht es um Geld – und um Verletzungen, die oft erst mit dem Tod eines  Menschen sichtbar werden.

Mit Recht und Gesetz lassen sich die daraus entstehenden Konflikte oft nicht fassen.

Dies kann dazu führen, dass sich die Beteiligten in komplizierten Gerichtsverfahren aneinander abarbeiten, psychologisch aber woanders kämpfen und deshalb für rationale Argumente nicht mehr zugänglich sind.

Das kostet viel Geld und die letzten Ressourcen, um aufeinander zuzugehen.

Ich bin deshalb in geeigneten Fällen und im Team auch als Mediator für Sie tätig.

Telefon: 030 / 609 82 88 55

Wann kann ein Mediator / eine Mediatorin helfen?

Sind die Beteiligten noch gesprächsbereit, kann ein Mediator / eine Mediatorin helfen, die „unter dem Rechtsstreit“ liegenden Probleme zu erkennen und Misstrauen abzubauen, bevor der Streit eskaliert.

Mediationsrunden sind streng vertraulich. Die Beteiligten können frei reden und alles zur Sprache bringen, was sie bewegt.  Nichts von dem Gesagten darf vor Gericht verwendet werden.

Wenn alle Beteiligten einverstanden sind, kann ein Rechtsbeistand und können auch Verwandte oder Bekannte an der Mediation teilnehmen. Da juristische Fragen zunächst nicht im Vordergrund stehen sollten, müssen sich Rechtsanwälte aber ggf. zurückhalten und versuchen, sich auf andere Denkansätze einzulassen.

Was sind die Vorteile gegenüber einem Gerichtsverfahren?

Ein gerichtliches Verfahren findet über Monate und zum Teil Jahre zunächst nur schriftlich statt. Das schafft Raum für Interpretationen und Missverständnisse. Die abschließende mündliche Verhandlung vor Gericht dauert zudem selten länger als eine halbe Stunde. Oft ist vom Zufall abhängig, wie lange der einzige Termin vor Gericht dauert.

Das ist bei einer Mediation anders. Dort kommen die Beteiligten an mehreren Tagen in einer ergebnisoffenen Gesprächsatmosphäre zusammen. Sie finden Ihre Lösung – begleitet und „beschützt“ vom Mediator, der für die Einhaltung von Spielregeln sowie für gegenseitige Wertschätzung sorgt – selbst. Eine Lösung, die von den Beteiligten selbst gestaltet worden ist, trägt dann oft länger und schützt den Familienfrieden besser als ein Urteil, bei dem es Sieger und Verlierer gibt.

In mittlerweile allen Bundesländern schlagen die Gerichte in geeigneten Fällen eine Mediation vor dem Güterichter / der Güterichterin vor.

Ziel ist dabei auch, die Justiz von komplexeren Verfahren zu entlasten.

Mediation beim Notar

Im Erbrecht ist – seit dem Jahre 2013 – das notarielle Vermittlungsverfahren eine gute Alternative zur Gerichtsmediation.

Rechtliche Grundlage sind die §§ 363 ff. FamFG.

Danach erhält der Notar / die Notarin mit dem Antrag eines Miterben, des Testamentsvollstrecker sowie weiterer Berechtigter den gesetzlichen Auftrag, die Teilung des Nachlasses zwischen den Beteiligten zu vermitteln.

Bei Erbengemeinschaften ist das besonders sinnvoll, denn gerichtlich erzwingbare Möglichkeiten zur Teilung des Nachlasses gibt es praktisch nicht. Ein einziger Miterbe kann sinnvolle Lösungen damit auf Jahre blockieren.

Der Notar / die Notarin soll in dem Vermittlungsverfahren mediativ wirken und auch den tieferen Konflikten Raum geben. Sind sich alle einig geworden, können in dem Verfahren aber auch die Erklärungen beurkundet werden, die notwendig sind, um alles juristisch zu „besiegeln“.

Notare / Notarinnen sind zudem aufgrund ihrer Tätigkeit z.B. in Erbscheinsverfahren, bei der Beurkundung von Erbverträgen oder Erbauseinandersetzungen vertraut mit den „typischen“ Konflikten im System Familie und deshalb besonders geeignet, bei der Erarbeitung von Lösungen mitzuwirken.

Ich empfehle Ihnen gerne ein in Ihrem Fall geeignetes Notariat oder bereite die Antragsunterlagen für Sie vor.
Telefon: 030 / 609 82 88 55

Rechtsanwalt Torben Swane
Fachanwalt für Erbrecht & Mediator
Welserstraße 10-12
10777 Berlin-Schöneberg

E-Mail: info [at] erbrecht-berlin.eu

Bürozeiten:
Mo-Fr      10:00 – 18.00 Uhr

Sekretariat: Frau Schweda, Frau Felix

Vererben und vermachen in Europa

Das EuGH-Urteil Rs. C-218/16 Kubicka und deutsch-polnische Vermögen

1.) Das Vererben von Gegenständen nach BGB

Nach dem BGB rückt der Erbe in sämtliche Rechte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen ein – er wird unmittelbarer Eigentümer der Immobilie, des Aktienpaketes, sogar der Zahnbürste.  Man spricht auch von der „Fußstapfentheorie“, § 1922 Abs. 1 BGB.

Das unmittelbare Vererben von einzelnen Gegenstände hingegen ist technisch nicht möglich. Einzelne Gegenstände können lediglich „vermacht“ werden, §§ 1939, 2174 BGB. Der Vermächtnisnehmer erhält dabei „nur“ einen Anspruch auf etwas, das der Erbe noch per Vertrag erfüllen muss. Streitig ist dann oft, wem bis bis zur Erfüllung des Vermächtnisses die Früchte gebühren (z.B. die Mieteinnahmen einer vermachten Immobilie), oder was gilt, wenn Gegenstand beim Erbfall nicht mehr vorhanden ist.

Nach deutschem Recht ist der Vermächtnisnehmer also nicht Nachfolger des Erblassers, auch nicht in Bezug auf den ihm zugedachten Gegenstand. Das BGB kennt – seit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 1900 – nur den vom Erben noch zu erfüllenden Anspruch, das sogenannte Damnationslegat.

2.) Polnisches Erbrecht

Andere Rechtsordnungen als die deutsche sind großzügiger:

Nach polnischem Erbrecht etwa kann der Erblasser bestimmen, dass z.B. die Tochter ein Haus unmittelbar erben soll, während im Übrigen die Ehefrau Erbin ist. Dies ergibt sich aus Art. 981 § 1 Kodeks Cywilny (Zivilgesetzbuch Polen):

„Der Erblasser kann in einem in Form einer notariellen Urkunde errichteten Testament bestimmen, dass eine bestimmte Person den Gegenstand des Vermächtnisses im Zeitpunkt des Erbfalls erwirbt.“

Man spricht von einem sogenannten Vindikationslegat.

3.) Das Vindikaktionlegat im BGB

a) Seit der (von einem klugen Notar aus Słubice in Polen provozierten) EuGH-Entscheidung Kubicka, Urteil vom 12.10.2017 – Rs. C-218/16 lassen sich unmittelbar wirkende Vermächtnisse auch in die deutsche Rechtsordnung „einschleusen“:

Danach muss z.B. das Grundbuchamt in Berlin oder das Handelsregister ein Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) nach polnischem Erbrecht akzeptieren, in dem solche Legate gem. Art. 68 Buchst. m EU-Erbrechtsverordnung aufgeführt sind.

Polnisches Erbrecht kann in Deutschland z.B. zur Anwendung kommen, wenn ein in Deutschland, Schweden, Großbritannien oder Irland lebender polnischer Staatsbürger polnisches Erbrecht  als sein Heimatrecht wählt, Art. 22 EU-Erbrechtsverordnung, und eine Immobilie oder Bankvermögen in Deutschland vorhanden sind. Zudem gab in Polen es auch vor Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung weitreichende Möglichkeiten der Rechtswahl, auch zu Gunsten des Wohnsitzlandes (Art. 64 IPR-Gesetz 16.05.2011; siehe auch OLG Schleswig, Beschluss vom 25.4.2016 – 3 Wx 122/15).

b) Die deutschen Gerichte werden das polnische Erbrecht aber nicht gerade „lieben“. Potentiell müssen zu allen möglichen Rechtsfragen Gutachten von polnischen Experten eingeholt werden. Das kann die Nachlassabwicklung erheblich verzögern.

Befindet sich das Vermögen überwiegend in Deutschland, dürfte es deshalb nur wenige familiäre Konstellationen geben, in denen eine „taktische“ Wahl des polnischen Erbrechts wirklich Vorteile bringt.

Mögliche Kostenvorteile durch Grundbuchumschreibungen und Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen „ohne Notar“ dürften das Risiko, dass es bei Streitfällen zu komplizierten und teuren Verfahren kommt, nicht aufwiegen.

Auch das gegenüber dem polnischen Steuerrecht teurere deutsche Erbschaftssteuerrecht kann allein durch die Wahl polnischen Erbrechts nicht „abgewählt“ werden, § 2 ErbStG.

Wenden Sie sich gerne an uns, wenn Sie Beratung in Ihrem konkreten Fall benötigen. Die Beratung findet auf Wunsch in deutscher, englischer oder polnischer Sprache statt.

Telefon: 030 / 609 82 88 55
 

Schiedsklauseln im Testament: Nicht beim Pflichtteil

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 16. März 2017 (Az. I ZB 50/16) entschieden, dass ein Erblasser den von ihm enterbten Pflichtteilsberechtigten nicht per Testament auf ein (nichtstaatliches) Schiedsgericht verweisen kann.

Zur Begründung führt das Gericht aus:

„Sind im Fall der durch Verfügung von Todes wegen angeordneten Schiedsgerichtsbarkeit nur Streitigkeiten über Ansprüche schiedsfähig, auf deren Bestehen und Umfang der Erblasser kraft seiner Testierfreiheit Einfluss nehmen kann, kann der Pflichtteilsanspruch, der ebenso wie die Testierfreiheit zu den von der Erbrechtsgarantie gem. Art. 14 I 1 iVm Art. 6 GG Absatz I GG erfassten Rechten zählt (BVerfGE NJW 2005, Seite 1561), nicht zu den schiedsfähigen Ansprüchen gezählt werden.

Vielmehr wird die Testierfreiheit des Erblassers durch den Pflichtteilsanspruch, der einem Angehörigen, der nicht als Erbe am Nachlass teilhat, eine Mindestteilhabe an diesem sichert, beschränkt. In diesem Umfang ist dem Erblasser die Verfügungsfreiheit über sein Vermögen entzogen (Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl., § 1937 Rn. 5). Streitigkeiten, die ihre Grundlage in zwingendem Pflichtteilsrecht haben, können daher nicht kraft testamentarischer Schiedsanordnung der alleinigen Jurisdiktionsbefugnis eines Schiedsgerichts unterworfen werden.“

Die Zulässigkeit dieses einer Schiedsvereinbarung per Testament folge nicht aus den Regeln der Zivilprizessordnung (ZPO): Diese Vorschriften (§§ 1066 ff. ZPO) gingen

„grundsätzlich von der einvernehmlichen Vereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit aus; dagegen entzieht die in einer letztwilligen Verfügung enthaltene Schiedsklausel dem Betroffenen einseitig den durch staatliche Gerichte gewährleisteten Rechtsschutz.“

Fazit:

Ein Erblasser kann nicht den Pflichtteil entziehen und nicht das (staatliche) Gericht. Entsprechende Klauseln in Testamenten sind nicht wirksam.

Nach einer weiteren Entscheidung des Bundesgerichtshofes kann auch die Entlassung eines Testamentsvollstreckers staatlichen Gerichten nicht entzogen werden (BGH, Beschluss vom 17. Mai 2017, Az. IV ZB 25/16). Zuständig bleibt das jeweilige Nachlassgericht.

Zu Schiedsklauseln, die in Testamenten und Erbverträgen weiterhin zulässig sind, beraten wir Sie gerne.

Standort Berlin – Rechtsanwalt Swane
+ 49 30 609 82 88 55  info@erbrecht-berlin.eu
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Sittenwidrigkeit eines Erb- und Pflichtteilsverzichts

Der notarielle Erb- und Pflichtteilsverzicht ist ein wichtiges und zulässiges Instrument der Unternehmensnachfolge. Nicht selten werden Kinder und Ehegatten dabei aber „übers Ohr gehauen“ – oder schlicht und einfach überrumpelt.

Wenn Unerfahrenheit und (emotionale, finanzielle) Abhängigkeit gezielt ausgenutzt werden, kann ein solcher Verzicht gegen die guten Sitten verstoßen und deshalb unwirksam sein, § 138 BGB.

So auch in einem vom OLG Hamm mit Urteil vom  8. November 2016 (Az. 10 U 36/15) entschiedenen Fall:

Hier war der beklagte Vater Zahnarzt und Gesellschafter einer GmbH, die ein Dentallabor betrieb. Sein Vermögen belief sich auf etwa ca. 2,0 Millionen €. Nachdem sein Sohn das Fachabitur nicht geschafft hatte, bot der Vater ihm an, in der GmbH  eine Ausbildung zum Zahntechniker zu machen. Etwa zur gleichen Zeit erwarb der Vater für ca. 100.000,00 € einen Sportwagen (für den Nissan GTR X mit einer Höchstgeschwindigkeit von ca. 320 km/h hat sich der zu diesem Zeitpunkt noch minderjährige Sohn schnell begeistert).

Schließlich, zwei Tage nach dessen 18. Geburtstag, fuhr der Vater mit seinem Sohn zum Notar und ließ ihn dort einen „Erb- und Pflichtteilssverzicht“ unterschreiben. In der vertraglichen Vereinbarung heißt es auszugsweise:

„Der X verzichtet hiermit für sich auf das ihm beim Tode des Y zustehende gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht. Dieser Verzicht betrifft insbesondere Erb-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche. Y nimmt diese Verzichte jeweils an.

Als Gegenleistung für die Verzichte erhält X den Nissan GTR X, jedoch unter der aufschiebenden Bedingung, dass X sein 25. Lebensjahr vollendet hat und seine Gesellenprüfung zum Zahntechniker bis zum 31.12.2017 mit der Note 1 bestanden hat und seine Meisterprüfung zum Zahntechniker bis zum 31.12.2021 mit der Note 1 bestanden hat.“

Das OLG Hamm hat diesen Verzicht für sittenwidrig und nicht wirksam erklärt. Zur Begründung führt das Gericht aus:

„Für eine Sittenwidrigkeit der getroffenen Vereinbarungen sprechen schließlich besonders deutlich die äußeren Umstände des Geschäfts. Hiernach hat der Bekl. nämlich die in erheblichem Gegensatz zu seiner eigenen Geschäftsgewandtheit stehende jugendliche Unerfahrenheit und Beeinflussbarkeit seines Sohnes zu seinem Vorteil ausgenutzt. 

Dies folgt schon aus der Wahl des Gegenstands der in Aussicht gestellten Abfindung. Hier hat sich der Bekl. ersichtlich zielgerichtet die alters- und persönlichkeitsbedingte nahezu fanatische Begeisterung des Kl. für den Sportwagen zunutze gemacht. Das LG spricht insoweit zu Recht von einem Rationalitätsdefizit beim Kl., das dem Bekl. bestens bekannt war und das er durch die Anschaffung des Fahrzeugs im Vorfeld noch gefördert hat. 

Weitere entscheidende Gesichtspunkte sind der Zeitpunkt des Geschäfts, zwei Tage nach dem 18. Geburtstag des Kl., sowie die näheren Umstände der Beurkundung. Der Bekl. hat für sein Vorhaben bewusst den Eintritt der Volljährigkeit des Kl. abgewartet, wohlwissend, dass er eine Zustimmung zu dem Geschäft von Seiten der Mutter nicht erlangt hätte, geschweige denn die nach § 2347 BGB erforderliche Genehmigung des Familiengerichts. Zum anderen hat er mit der Wahl des Beurkundungstermins den Eindruck erweckt, es handele sich um ein Geburtstagsgeschenk für den Kl. Diese Vorgehensweise war geeignet, dem Kl. eine Ablehnung des Angebots emotional zu erschweren.“

Fazit:

Wird ein gerade volljähriger oder nicht altersbedingt unerfahrener Mensch „zum Notar geschleift“ und mit unlauteren Mitteln zum Pflichtteilsverzicht gelockt, dann bestehen gute Chancen, dagegen vorzugehen. Rechtlich ist das bereits vor dem Erbfall möglich und kann Verhandlungsspielräume und am Ende Rechtssicherheit für alle Beteiligten schaffen.

Gegenüber einem vom OLG München am 25 Januar 2006 zum Az. 15 U 4761/04 entschiedenen Sachverhalt, bei dem eine viel ausführlichere Gesamtwürdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck sämtlicher Umstände des Einzelfalls zur sogenannten Umstandssittenwidrigkeit führte, ist der obige Fall einfach gestrickt:

Das von der juristischen Fachliteratur vermutete, mit emotionaler Abhängigkeit erklärte „verzichtstypische Rationalitätsdefizit“ beim Pflichtteilsverzicht (u.a. Röthel, Neue Juristische Wochenzeitschrift 2012, 317) konnten die Richter im vorliegenden Fall nicht übersehen.

 

BVerfG stärkt notarielles Nachlassverzeichnis

Den Pflichtteil geltend machen – das Bundesverfassungsgericht gibt Rückenwind

»Tagesschau«-Grafik zum Bundesverfassungsgericht. | Bildquelle: ARD-aktuell

Wenn es darum geht, den Pflichtteil geltend zu machen, stellt sich zunächst die rein praktische Frage: Wie finde ich raus, was zum Nachlass gehört, und welche Schenkungen gab es vor dem Erbfall?

Um dies zu ermitteln, kann der Pflichtteilsberechtigte entweder ein „privates“, vom Erben erstelltes Nachlassverzeichnis verlangen, oder er kann einen Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses geltend machen (§ 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Über den Umfang Ermittlungspflichten des Notars bei der Erstellung eines solchen Verzeichnisses wurde lange gestritten: Während die eine Seite dem Notar geradezu detektivische Pflichten aufbürdet, protestieren gerade Notare gegen zu weitreichende Ermittlungspflichten. Sie argumentieren, dass eine Ermittlungspflicht weder dem Berufsbild des Notars entspreche, noch gesetzlich so vorgesehen sei.

Das notarielle Nachlassverzeichnis  bekommt Zähne

Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 25. April 2016, Az. 1 BvR 2423/14) hat nun – in ungewohnt deutlicher Auslegung einfachen, unter dem Grundgesetz stehenden Rechts – erkennen lassen, dass der Notar z.B. Hinweisen auf Schenkungen, die zu einer Schmälerung des Pflichtteils führen könnten, sehr genau nachgehen und eigene Ermittlungen anstellen muss – bis zur Durchsicht von Kontoauszügen für einen Zeitraum von zehn Jahren.

In dem Beschluss heißt es:

„Hier hätte es hinsichtlich der etwaigen Schenkungen insbesondere nahe gelegen, Einsicht in die vollständigen Kontoauszüge und sonstigen Bankunterlagen für den Zehn-Jahres-Zeitraum zu nehmen oder eine Vollmacht des Auskunftsverpflichteten zur entsprechenden Anfrage bei der Bank einzuholen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18. März 2014 – 2 W 495/13 -, juris, Rn. 21-28).“

Auch die zivilgerichtliche Rechtsprechung – OLG Saarland mit Beschluss vom 26. April 2010 (Az. 5 W 81/10), OLG Schleswig mit Urteil vom 25. Januar 2011 (Az. 3 U 36/10), verschärft durch OLG Koblenz mit Beschluss vom 18. März 2014 (Az. 2 W 495/13) – hatte sich zuvor auf die Seite der Pflichtteilsberechtigten geschlagen. Jeweils gefordert sind eigene Aufklärungsbemühungen des Notars und relativ weitreichende Ermittlungen.

Die Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis sind damit erheblich gestiegen.

Dem Notar auf die Finger schauen

Auch wenn die Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Oberlandesgerichten die Position der Pflichtteilsberechtigten stärkt, kommen viele Notare ihrer Aufklärungs- und Ermittlungspflicht noch immer nicht nach. De facto begnügen sich viele Notare  weiterhin mit der einfachen Wiedergabe der vom Erben angebotenen Informationen.

Dem kann man als Pflichtteilsberechtigter nur begegnen, indem man sich früh in den Prozess der Verzeichniserstellung  „einklinkt“.

Ein Fachanwalt für Erbrecht kann hier wertvolle Unterstützung leisten.

Telefon Kanzlei Berlin: 030 / 609 82 88 55
Telefon Kanzlei Hamburg: 040 / 57 307 99 99

Welches Erbrecht gilt für Grenzpendler?

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Für Erbfälle nach dem 16. August 2015 ist nach Art. 21 EU-Erbrechtsverordnung Nr. 650/12 das Erbrecht desjenigen Landes anzuwenden, in dem der Erblasser seinen „letzten gewöhnlichen Aufenthalt“ hatte.

Das Kammergericht (Beschluss vom 26. April 2016, Az. 1 AR 8/16) hat nun erstmals entschieden, was „letzter gewöhnlicher Aufenthalt“ eigentlich heißt. Danach kommt deutsches Erbrecht auch dann noch zur Anwendung, wenn der Erblasser in einem anderen Land gemeldet war und dort einen Großteil seiner Zeit verbracht hat. Entscheidend sei, ob – wie im vorliegenden Fall – dennoch eine „unverändert enge und feste Beziehung zum Heimatstaat“ vorhanden war, etwa wegen sozialer Beziehungen oder Vermögen und Einkünften in Deutschland (Erwägungsgründe 23 und 24 zur EU-Erbrechtsverordnung).

Der Sachverhalt: Ein deutscher Staatsbürger war Grenzpendler und lebte seit fünf Jahren auf der polnischen Seite der Oder, von wo er Kunden in Brandenburg besuchte.

In der Wohnung der Tochter in Berlin-Pankow behielt er formal einen Zweitwohnsitz, und ohne sich dort regelmäßig aufzuhalten. Eine Integration am neuen Wohnort Polen erfolgte allerdings kaum. Der Erblasser sprach auch kein polnisch. In das Dorf- und Vereinsleben war er nicht integriert, und seine persönlichen Kontakte beschränkten sich auf kurze Unterhaltungen. Eine neue Familie gründete der Erblasser nicht. Ärzte und Krankenhäuser suchte er nur in Deutschland auf, sämtliche Einkünfte erzielte er in Deutschland.

Anmerkung: Die Entscheidung des Kammergerichts zu Gunsten des deutschen Erbrechts ist ein warnendes Beispiel für die Praxis. Sie zeigt, dass bei der richterlichen Gesamtbeurteilung der Lebensumstände eines Erblassers der „letzte gewöhnliche Aufenthalt“ von dem abweichen kann, was man als Laie eigentlich annehmen würde – etwa bei der Errichtung eines an einem bestimmten Erbrecht orientierten Testamentes. Es empfiehlt  sich deshalb, eine Rechtswahl zu Gunsten des eigenen Heimatrechtes zu treffen und zusätzlich ein „Bekenntnis“ in die Präambel des Testamentes aufzunehmen, mit welchem Land man sich am engsten verbunden fühlt, wo man selbst den sozialen und wirtschaftlichen Lebensmittelpunkt sieht aus welchen Gründen.

Sprechen Sie mich gerne an.

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Erbschaftsteuer: Bundesrat gibt grünes Licht

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Das Bundesverfassungsgericht (Aktenzeichen: 1 BvL 21/12) hatte dem Gesetzgeber im Dezember 2014 aufgegeben, die Erbschaftsteuer neu zu regeln. Nach zähen Debatten hat nun am 14. Oktober 2016 auch der Bundesrat der von der Großen Koalition im Vermittlungsausschuss beschlossenen Neuregelung zugestimmt.

Das neue Gesetz tritt mit Rückwirkung zum 1. Juli 2016 in Kraft. Steuerbescheide, die zwischen Dezember 2014 und Juli 2016 auf Grundlage des “alten” Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes erlassen wurden, bleiben wirksam.

Über die Änderungen im neuen Gesetz, die hauptsächlich Firmenerben betreffen, informiere ich Sie gerne persönlich.

Achtung: Falls Sie Gesellschafter einer Personen- oder Kapitalgesellschaft sind und der Gesellschaftsvertrag starre Abfindungsklauseln enthält, sollten diese Klauseln überprüft werden.  Bei der Erbschaftsteuer werden Unternehmens künftig mit dem 13,75 fachen des Betriebsergebnisses bewertet (vereinfachtes Ertragswertverfahren, § 203 BewG). Enthält ein aus der Gesellschaft ausscheidender Erbe eine Abfindung, die von dem auf diese Weise ermittelten Steuerwert abweicht, kann dies zu unerwünschten Steuerlasten bei den verbleibenden Gesellschaftern führen (§ 7 Abs. 7 ErbStG).

Brief + Vollmacht = Testament ?

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Diese Frage stellte sich kürzlich vor dem Oberlandesgericht München (Beschluss vom 31. März 2016, Az. 31 Wx 413/15).

Die Erblasserin war im Jahr 2002 verstorben und von drei gesetzlichen Erben beerbt worden. Im Jahr 2015 legte ein vierter Beteiligter einen Brief der Erblasserin aus dem Jahre 1975 (!) vor, der seine Erbberechtigung begründen sollte und folgenden Inhalt hatte:

„Habe mich entschlossen nach meinem Tode mein Vermögen (Bar, Wertpapiere, C.bank, A.) dem [Beteiligter 4] zur Verfügung zu stellen. Sollte mir unerwartet etwas zustoßen, dann erhalten Sie dieses Schreiben als Vollmacht!

(Ort), 20.10.75 (Unterschrift)“

Der in 2015 gestellte Antrag des Beteiligten auf Einziehung des im Jahr 2002 zu Gunsten der Miterben erteilten Erbscheins blieb jedoch ohne Erfolg.

Das Oberlandesgericht München entschied, dass eine in einem Brief handschriftlich durch den Erblasser verfasste Vollmacht zwar ohne weiteres auch eine testamentarische Verfügung enthalten könne.

Das vorgelegte Schreiben aus dem Jahr 1975 lasse aber keinen ernstlichen Testierwillen erkennen. Bewertet wurde insbesondere die zweimalige Übergabe eines Testaments in die besondere amtliche Verwahrung sowie deren spätere Rücknahme. Dies lege nahe, dass es sich bzgl. des Briefes von 1975 lediglich um ein mitteilendes bzw. ergänzendes Schreiben handele. Als weitere Gründe nannte das Gericht darüber hinaus die Formulierungen „Befugnis“ und „Vollmacht“. Auch die Tatsache, dass die Erblasserin als selbstständige Handwerksmeisterin in geschäftlichen Dingen nicht unerfahren war, sprach gegen einen Testierwillen.

Fazit: Auch wenn nicht Testament „drauf“ steht, kann Testament „drin“ sein. Dies ist je nach Einzelfall festzustellen.

Ein Testament ist in der Regel besser als die gesetzliche Erbfolge, die sich an den um das Jahr 1900 vorhandenen Familienstrukturen orientiert und nur ein „Vorschlag“ des Gesetzgebers ist.

Nach einer Umfrage, die das Deutsche Forum für Erbrecht im Jahre 2012 durch EMNID durchführen ließ, haben allerdings nur 30 Prozent der Deutschen ein Testament errichtet. Von diesen Testamenten sollen rund 80 % entweder formnichtig oder zumindest streitanfällig sein.

Die Gerichte müssen dann oft mehrere Jahre nach dem Tod eines Menschen und über mehrere Instanzen durch Auslegung ermitteln, was zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung gewollt war – und ob überhaupt ein Testament im Rechtssinne vorliegt. Diese Streitigkeiten können große Teile des über Jahrzehnte mühevoll aufgebauten Vermögens aufzehren.

Ich unterstütze Sie daher gerne bei der Errichtung Ihres wirksamen letzten Willens und schütze Ihr Vermögen.

Telefon: 030 / 609 82 88 55

Weitergehende informationen finden Sie hier.

Gleicher Steuerfreibetrag für Steuerausländer

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Das Finanzgericht Düsseldorf (Az. 4 K 3636/14 Erb) bestätigt mit Urteil vom 18. Dezember 2015,  dass der für Steuerinländer in Deutschland geltend Freibetrag bei der Erbschaft- und Schenkungssteuer, immerhin 500.000,00 € bei Ehegatten und 400.000,00 € bei Kindern, Ausländern aus EU-Drittländern ungekürzt zu gewähren ist. Das Urteil betrifft Bewohner aus der Schweiz, Liechtenstein, USA, Kanada, Australien, Israel, Russland und anderen Ländern, die nicht Mitglied der EU sind.

Der Düsseldorfer Senat schließt sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes an (Urteil vom 17. Oktober 2013, Az. C-181/12, Rs. Welte). Danach verstößt das deutsche Gesetz gegen die EU-Kapitalverkehrsfreiheit. Auf diese Grundfreiheit können sich auch Angehörige von sogenannten Drittstaaten berufen, die in Deutschland beschränkt steuerpflichtig sind.

Beschränkte Steuerpflicht („limited tax liability“) bedeutet: Wenn keiner der an einer Erbschaft oder Schenkung beteiligten Personen in Deutschland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte oder noch hat, unterliegt nur das Inlandsvermögen im Sinne von § 121 Bewertungsgesetz der Steuerpflicht. Dies betrifft vor allem Grundstücke. Das restliche, z.B. in der Schweiz oder in den USA gelegene Nachlassvermögen wird nicht besteuert. Dafür „schrumpfen“ die nach dem Gesetz vorgesehenen Freibeträge auf 1.100,00 € bzw. 2.000,00 € seit 1. Januar 2008.

In dem vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Fall lebten alle Beteiligten in der Schweiz. Zum Nachlass gehörten aber vier Eigentumswohnungen in Deutschland. Aus diesem Grund setzte das Finanzamt den für beschränkt Steuerpflichtige geltenden Freibetrag von 2.000 € fest – zu Unrecht, wie das Finanzgericht Düsseldorf nun urteilte.

Hinweis: Das Finanzgericht Düsseldorf hat Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen (dortiges Az.: II R 2/16). Sofern bereits erlassene Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind, z.B. weil die Steuer nur vorläufig festgesetzt wurde oder das Einspruchsverfahren läuft, sollte deshalb auch die Aussetzung der sofortigen Vollziehung beantragt werden. Dann muss die Erbschaftsteuer ggfls. nicht sofort bezahlt werden.

Ein weiteres beim Finanzgericht Düsseldorf unter dem Az. 4 K 488/14 Erb anhängiges Verfahren betritt das sogenannte Optionsrecht für EU-Ausländer, § 2 Abs. 3 Erbschaftsteuergesetz, welches der Gesetzgeber als Reaktion auf das EuGH-Urteil Mattner (C-510/08) eingeführt hatte. Das Optionsrecht sieht vor, dass ein beschränkt Steuerpflichtiger zur unbeschränkten Steuerpflicht „optieren“ kann. Ob auch das Optionsrecht gegen die EU-Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, wird der Europäische Gerichtshof im Rahmen des vom Finanzgericht Düsseldorf angestrengten Vorabentscheidungsverfahrens (C-474/14, Rs. Hünnebeck) klären.

Türkisches Erbrecht vor deutschen Gerichten

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In der Bundesrepublik Deutschland leben mehr als drei Millionen Menschen türkischer Herkunft; etwas mehr als die Hälfte von ihnen hat (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit. Das Vermögen türkischer und türkischstämmiger Erblasser verteilt sich regelmäßig auf beide Länder.

Leben alle Berteiligten in Deutschland, so stellt sich die Frage: Kann ein Erbstreit, für den ausschließlich türkisches Recht gilt, von einem deutschen Zivilgericht entschieden werden?

Der Bundesgerichtshof hat hierzu mit Urteil vom 21.10.2015 (Aktenzeichen: IV ZR 68/15) entschieden: Ein deutsches Gerichten ist nur dann nicht international zuständig, wenn es um die Erbenstellung als solche oder um Ansprüche i.S.d. § 15 des zwischen beiden Ländern im Jahr 1929 abgeschlossenen Nachlassabkommens geht. In diesem Fall seien türkische Gerichte zuständig.

§ 15 Satz 1 des Nachlassabkommens lautet:

„Klagen, welche die Feststellung des Erbrechts, Erbschaftsansprüche, Ansprüche aus Vermächtnissen sowie Pflichtteilsansprüche zum Gegenstand haben, sind, soweit es sich um beweglichen Nachlass handelt, bei den Gerichten des Staates anhängig zu machen, dem der Erblasser zurzeit seines Todes angehörte, soweit es sich um unbeweglichen Nachlass handelt, bei den Gerichten des Staates, in dessen Gebiet sich der unbewegliche Nachlass befindet.“

Mit „Erbschaftsansprüchen“ seien allerdings nicht sämtliche Ansprüche gemeint, bei denen Erbfragen eine Rolle spielten. Es müsse vielmehr das materielle Erbrecht der Parteien bzw. dessen Reichweite Gegenstand des Rechtsstreits sein, und der Rechtsstreit über diese Ansprüche müsse dazu führen, dass über eine zwischen den Parteien streitige Erbenstellung oder „erbrechtliche Berechtigung“ eine verbindliche Entscheidung getroffen werde. In  allen anderen Fällen gelte deshalb § 8 des Nachlassabkommens.

Die Vorschrift lautet:

„Streitigkeiten infolge von Ansprüchen gegen den Nachlass sind bei den zuständigen Behörden des Landes, in dem dieser sich befindet, anhängig zu machen und von diesen zu entscheiden.“

Es genügt für die ausschließliche Zuständigkeit also nicht, wenn lediglich die Rechtsnachfolge von der Erbenstellung abhängt oder erbrechtliche Probleme eine Vorfrage darstellen. War z.B. ein Miterbe Bevollmächtigter des Erblassers und ist er als solcher zur Auskunft und Rechenschaft gegenüber den anderen Miterben verpflichtet, kann er von einem deutschen Gericht dazu verurteilt werden – auch wenn türkisches Erbrecht gilt.

Dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Erben, zwei in Deutschland lebende Brüder, hatten ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück in der Türkei gemeinschaftlich an einen Dritten veräußert, und einer der Brüder hatte die Restzahlung in Höhe von 10.000,00 Türkischen Lira für sich behalten. Die Frage, wie diese Summe zu verteilen sei, könne vor einem deutschen Gericht entschieden werden.